Linksrum - Woche 12/2017 |
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Bildlegende |
Der Journalist und Historiker Stefan Keller hat in seiner Fotosammlung gestöbert, sich erinnert oder recherchiert. Daraus entstanden ist ein wunderbar nostalgischer Buchband. Dem Linksrum stellt Stefan Keller zehn von der Redaktion ausgewählte Bilder samt Legende mit Thurgaubezug zur Verfügung.
Ab und zu ragte im Strandbad Arbon die Sprungfeder
einer Matratze aus dem Rasen, sodass man aufpassen
musste, sich nicht zu verletzen. Dem Vernehmen
nach kommt das schon lange nicht mehr vor, der Müll, der
auf dem Gelände einst abgeladen wurde, ist offenbar
verrottet. Bestimmt wäre es heute auch nicht mehr nötig,
die Schweizer Fahne so demonstrativ in die Ansichtskarte
hineinzumontieren, wie es der Arboner Fotograf Max
Burkhardt hier tat. Sein Bild gibt es in zwei Versionen,
einmal mit hängender, kaum erkennbarer und einmal mit
wehender Fahne, als ob es bei schönstem Sommerwetter
stark aus Norden winden würde.
Das Bad liegt etwas ausserhalb des Städtchens an der
Grenze zum Nachbardorf Frasnacht, wahrscheinlich weil
das Wasser dort sauberer war und man weniger in
Fäkalien und Gift schwimmen musste als bei der hölzernen
Badehütte in Zentrumsnähe. Das Strandbad wurde 1933
eröffnet. Es war eine Errungenschaft der Linken, die in
Arbon seit 1925 die politische Mehrheit stellte: Der Architekt
soll ein Schüler Le Corbusiers gewesen sein, und noch
viele Jahrzehnte später konnte man alte Arbeiterinnen
und Arbeiter im eleganten Restaurantpavillon erzählen
hören, wie sie damals Wochenende für Wochenende gratis
Fronarbeit geleistet hatten, um das Land zu entwässern,
mit Gerümpel aufzufüllen und so weit auszuebnen, dass die
Gemeinde bloss noch den Rasen ansäen musste.
Es war das erste Bad auf der Schweizer Seite des Bodensees,
das zum Entsetzen der katholischen Pfarrherren die
Geschlechtertrennung aufhob. Während des Sommers
legten die SBB beim Strandbad einen Halt für Badegäste
ein, obwohl es da keinen Bahnhof gab. Der Ort wurde
beliebt, eine Zeit lang galt er sogar als mondän. Die
Besucherzahlen stiegen trotz Krise viel höher als erwartet,
die Baukosten konnten abbezahlt werden. Und das rote
Arbon war einen wichtigen Schritt weiter mit dem Projekt,
das örtliche Seeufer ganz in die öffentliche Hand zu
bringen und den Besitzlosen zugänglich zu machen. Was
schliesslich auch gelang.
Bestellen kann man das Buch bei Marianne Sax' Buchhandlung in Frauenfeld oder in einer anderen Buchhandlung ihrer Wahl.