Linksrum Woche 41/2016

Session

zugespitzt

Sessionsrückblick gespickt mit persönlichen Erlebnissen

Die beiden staatspolitischen Schwerpunktthemen der Herbstsession waren die Altersreform 2020 und die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative.

von Edith Graf-Litscher, Nationalrätin

Unsere Befürchtungen sind eingetroffen: Die rechte Mehrheit von SVP, FDP und Grünliberalen hat im Nationalrat die Erhöhung des Rentenalters auf 67 durchgesetzt und die längst überfällige Anhebung der AHV-Renten verweigert. Das liegt völlig schief in der Landschaft, weil oft schon 50-jährige beruflich aufs Abstellgleis geschoben werden und bei Umstrukturierungen oder beruflicher Neuausrichtung grosse Mühe haben, nur zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Falls es den parlamentarischen Prozess übersteht, wird die SP das Rentenalter 67 in der Volksabstimmung mit aller Kraft bekämpfen. Ich habe keinen Zweifel, dass wir damit erfolgreich sein werden. Gerade Frauen, die oft Teilzeit arbeiten und kaum Kapital in der 2. Säule ansparen können, sind auf eine starke AHV angewiesen. Unter dem Strich resultiert ein teurer Sozialabbau: Länger arbeiten und dafür erst noch mehr bezahlen. Darum hat die SP die von FDP, SVP und GLP verunstaltete Altersvorsorge 2020 in der Gesamtabstimmung abgelehnt. Sie hofft darauf, dass der Ständerat an seinem ausgewogenen Kompromiss festhält.

Wenigstens hat mein Einzelantrag eine Mehrheit im Nationalrat gefunden. Der Antrag verlangt, dass die Vorsorgeeinrichtungen reglementarisch ein tieferes Mindestalter als 62 für den Bezug der Altersleistungen vorsehen dürfen. Für die Versicherten der beruflichen Vorsorge sollen Altersrücktritte weiterhin mit 60 Jahren oder 61 Jahren möglich bleiben. Heute dürfen Vorsorgeeinrichtungen einen Altersrücktritt bereits ab dem 58. Altersjahr vorsehen. Der Ständerat und die zuständige Kommission im Nationalrat wollten das Mindestalters auf 62 heraufsetzen. Die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände teilen meine Haltung, dass eine Erhöhung des Mindest-Rücktrittsalters in der beruflichen Vorsorge auf 62 Jahre die Gestaltungsfreiheit der Vorsorgeeinrichtung zu stark einschränkt und die Interessen der Versicherten unnötig missachtet. Dies auch, weil sich Frühpensionierungen - trotz schlechterer Rentenumwandlung - immer noch grosser Beliebtheit erfreuen. Der angespannte Arbeitsmarkt für ältere Arbeitnehmende und die gestiegenen psychosozialen Belastungen am Arbeitsplatz sind heute wichtige Gründe für einen vorzeitigen Altersrücktritt. Hierfür sind die Arbeitnehmenden und auch vielerorts die Firmen bereit, zusätzliche Mittel, etwa für die Finanzierung einer Überbrückungsrente (AHV-Ersatzrente), aufzuwerfen. Solche Frühpensionierungen sind selbst finanziert und kostenneutral für die Vorsorgeeinrichtungen.

Die erleichterte Einbürgerung der dritten Generation kommt vors Volk

Was lange währt.Ein Anliegen, für das sich die SP Thurgau schon lange einsetzt, hat endlich einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht: Ausländerinnen und Ausländer, deren Eltern und Grosseltern bereits in der Schweiz gelebt haben, erhalten schon bald einfacher den Schweizer Pass. Vor acht Jahren hat SP-Nationalrätin Ada Marra diese Reform in Bern ins Rollen gebracht. In der Herbstsession 2016 hat das Parlament die letzte Differenz ausgeräumt. Somit ist der Weg frei für die Volksabstimmung, der wir schweizweit mit Zuversicht entgegenblicken können. Ich gehe davon aus, dass es im Thurgau jedoch noch einige Überzeugungsarbeit der SP zu leisten gibt.

Die erste Etappe zur Umsetzung der Zuwanderungsinitiative ist geschafft

Die SP vertritt seit dem 9. Februar 2014 die Position, dass die Umsetzung der Zuwanderungsinitiative (Art. 121a der Bundesverfassung) die bilateralen Verträge nicht verletzen darf. Der Kompromiss, den der Nationalrat in dieser Session beschlossen hat, wird diesem Grundsatz gerecht. Darum hat die SP-Fraktion diesen Kompromiss einstimmig unterstützt.

Selbst bürgerliche Parteien haben erkannt, dass das inländische Potenzial gefördert und der Schutz der Arbeitnehmenden ausgebaut werden muss. Der Kompromiss des Nationalrats ebnet den Weg in diese Richtung. Ich setze auf den Ständerat, dass noch zusätzliche Massnahmen zum Schutz von Löhnen und Arbeitsbedingungen beschlossen werden. Die fristgerechte Umsetzung von Artikel 121a der Bundesverfassung bis Ende Jahr ist Voraussetzung für die Fortführung des Bildungs- und Forschungsprogramms Horizon 2020. Diesem Ziel ist das Parlament in dieser Session einen grossen Schritt näher gekommen.

Persönliche Schwerpunkte

Als Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission habe ich mich als Fraktionssprecherin für die Immobilienbotschaft eingesetzt, welche für den Thurgau und für Frauenfeld eine grosse Dimension hat. Über CHF 270 Mio. werden in ein Rechenzentrum investiert, das vom VBS und zivil genützt wird, zusätzliche Unterkunftsplätze auf der Allmend entstehen und dadurch wird der Stadt ermöglicht, die Stadtkaserne an zentralster Lage zivil zu nutzen. Für den Werterhalt von "Polycom" dem Funksystem mit dem sich alle Blaulichtorganisationen über die Kantonsgrenzen verständigen können, war ich als Fraktionssprecherin im Einsatz.

Am Rande der Session traf ich mich als Vizepräsidentin der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF-N) mit Abgeordneten des deutschen Bundestages, welche in Bern zu Gast waren. Gerade für mich als Thurgauer Nationalrätin sind diese grenzüberschreitenden Gespräche mit den deutschen Kolleginnen und Kollegen sehr wertvoll. Wir haben über Verkehrs- und Medienpolitik diskutiert.

Als Präsidentin der Fachkommission Verkehr und Kommunikation der SP durfte ich eine Diskussion mit Matthias Künzler, Medienwissenschaftler und Leiter Forschung HTW Chur, Niggi Ulrich, Vizepräsident SRG Deutschschweiz und Vertreter der Trägerschaft, sowie Peter Wanner, Verleger AZ Medien, leiten. Einen Tag später war der Generaldirektor der SRG, Roger de Weck, bei uns in der Fraktion zu Gast. Weil die Qualität und die Unabhängigkeit des Journalismus für die SP einen wichtigen staatspolitischen Aspekt hat, werden wir im Januar in Bern einen Workshop zur Aktualisierung unseres Positionspapiers Medienpolitik durchführen.

Ein Höhepunkt war die Einladung zum Nachtessen bei Bundesrätin Doris Leuthard. Zusammen mit einigen Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedenen Fraktionen war ich zu einem ungezwungenen Austausch zum Znacht zu ihr nach Hause eingeladen.

Mit dem stellvertretenden Bundeskanzler, André Simonazzi, traf ich mich in seinem Büro, um den Ansatz meiner Parlamentarischen Initiative Gebührenregelung Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung zu diskutieren.. Was soll gratis sein und wo ist eine Gebühr bei überdurchschnittlichem Aufwand angemessen? Das will ich neu regeln.

Das Nachrichtendienstgesetz, welches wir kontrovers aber fair in der SP Thurgau diskutiert haben, wird nun umgesetzt. Ich werde die Umsetzung im Fokus behalten. Mit meinem Vorstoss Wird die ausserhalb der Bundesverwaltung eingerichtete Aufsicht über den Nachrichtendienst des Bundes über ausreichend Know-how und technische Voraussetzungen verfügen? mache ich einen ersten Schritt dazu.

Ich hoffe, euch mit diesem Einblick meine aktuelle Arbeit in Bern etwas näher gebracht zu haben und freue mich, wenn wir uns bald wieder an einem Parteitag oder anderen Anlass der SP Thurgau begegnen.

Eine schöne Herbstzeit wünscht euch eure

Edith

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