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Gedanken zum bedingungslosen Grundeinkommen

von Thomas Humm, Präsident SP Matzingen

Es liegen selten Vorlagen zu Abstimmung vor, welche so mannigfaltig verstanden und beurteilt werden können wie diese des bedingungslosen Grundeinkommens. Kommt es doch sehr drauf an, was man erwartet und bezwecken will. Es gibt dabei zwei grundsätzlich verschiedene Zugänge. Will man über eine Sachfrage abstimmen, die hier und jetzt oder wenigstens in unmittelbarer Zukunft Wirkung zeigt oder will man über eine Vorlage urteilen, die vielleicht in dieser Form nicht zum Ziel führen kann, aber zum Denken anregt und damit zu anderen wünschenswerten Ergebnissen führen könnte.

Ich stelle immer wieder denselben Ablauf fest. Erzählt man jemandem von dieser Idee des bedingungslosen Grundeinkommens, die schon vor Jahrzehnten und weltweit vielerorts diskutiert und teils auch schon versucht wurde, in irgendeiner Form umzusetzen, ist die erste Reaktion meist Erstaunen, gefolgt von einem "Ja, aber.". Es lässt niemanden wirklich einfach unberührt. Die einen sehen hier den Weg zur globalen Glückseligkeit und die endlich gebotene Möglichkeit zur Umsetzung individueller Wünsche im Leben, wieder andere sehen einen weiteren Zustand mit Lücken, wo sich Nichtsnutze und Profiteure auf Kosten ihrer Mitmenschen bereichern können. Hat einer der beiden recht? Wahrscheinlich nicht.

Ich will und kann in diesen paar Zeilen nicht in Details gehen und die Idee mit jedem verfügbaren Licht durchleuchten. Ich möchte lediglich eine Auswahl von Aspekten antippen, welche überlegenswert sind.

Die Idee, dass ohne jeglichen Stress ein erwerbstätiger Mensch am Anfang des Monats mit einem Grundbetrag seinen Tätigkeiten nachgehen kann, finde ich zentral. Der Erwerbsvorgang wird auf den Kopf gestellt. Ich arbeite nicht, damit ich das Geld kriege, welches mir weiteres Arbeiten ermöglicht, sondern ich kriege das Geld, das es mir ermöglicht, mich im Erwerbsleben so zu platzieren, wie es mir wohl ist und wie ich im Idealfall am kreativsten und effizientesten arbeite. Ich behaupte, dass viele kreative Dienstleistungen und Arbeiten daran scheitern umgesetzt zu werden, weil das Anfangskapital fehlt. Und das muss nicht immer riesig sein. Erwerbstätige verschiedensten Alters mögen dadurch Mut für Neues bekommen, indem sie nicht aus Angst, mittellos zu enden, etwas Neues gar nicht erst anpacken.

Oft höre ich auch den Einwand, dass ja gar keine Motivation bestehe zu arbeiten, wenn ich 2500.- Franken sowieso kriege, ob ich arbeite oder nicht. Wirklich? 2500.- Franken im Monat und es besteht keine Motivation etwas dazu zu verdienen? Und ist es denn wirklich erstrebenswert, mit seinem Leben nichts Weiteres anzufangen als mit relativ wenig Geld über die Runden zu kommen? Man rechnet sich aus, dass ein Mensch bestrebt ist, diese Situation zu verbessern. Man könnte natürlich niemandem davor sein, sich mit einem solch niedrigen monatlichen Einkommen zu begnügen. Tatsache ist, dass es in unserem momentan herrschenden System Leute gibt, die mit unzureichendem Einkommen, obwohl sie voll arbeiten oder mit Sozialbeiträgen irgendwelcher Art und all den damit verbundenen Schwierigkeiten und Demütigungen, auskommen müssen.

Man kann es drehen und wenden wie man will, man wird Vor- und Nachteile finden. Die Frage bleibt, was unsere Rolle ist, als SP? Sind es nicht wir, die wir an Utopien schmieden können und damit Denkprozesse in Gang bringen, die vielleicht in etwas Fortschrittlichem für die Menschheit resultieren? Sind wir nicht die Kraft in unserem Land, welche nicht verkrampft an ausgetreten Pfaden festhält? Sind es nicht wir, die mal sagen dürfen: "Seht mal Leute, es ist zwar unausgegoren, aber doch noch ganz interessant. Vielleicht gibt das euch ja einen interessanten, neuen Gedanken oder rückt Sachen in eine neue Perspektive."

Bei der gegenwärtigen Lage gehe ich kaum davon aus, dass das Stimmvolk dieser Vorlage zustimmen wird. Das soll uns allerdings nicht beirren und zu einem Zugzwang zum Nein-Sagen verleiten. Mit der Empfehlung der SP Thurgau für ein JA kommunizieren wir nicht "JA - so und nicht anderes". Sondern "JA - Wir sind guter Dinge, dass Unzulänglichkeiten verbessert werden können und wir bereit sind grundsätzliche Fragen zu stellen. Fragen, die angesichts zunehmender Automatisierung und der damit verbundenen Arbeitslosigkeit gestellt werden müssen". Den Denkprozess erachte ich persönlich als das Wertvollste, das diese Vorlage in Gang bringt.

Als persönlichen Schlussgedanken möchte ich noch Folgendes anfügen. Ich bin der Überzeugung, dass sämtliche existierenden Gesellschaftsformen dem Wohle der gesamten Menschheit dienen könnten. Selbst Kapitalismus oder Kommunismus. Allein die Habgier und Geltungssucht bringen selbst die besten Systeme zum Fall. Leider lassen sich diese negativen Eigenschaften nicht per Gesetz verbieten. Was das Bestreben der Sozialdemokraten sein muss, ist, dass sie nicht zu einer erstrebenswerten Qualität hochstilisiert werden, wie es leider zunehmend geschieht, sondern im Gegenteil: Der soziale Gedanke ist das angestrebte Ziel, das zum Wohle der Mitmenschen beitragen kann. Bedienen wir uns des bedingungslosen Grundeinkommens oder weiterhin des Kapitalismus, wäre damit nämlich irrelevant.

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